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sollte ein Material sein, das vergleichbare Eigenschaften hat wie die
Vorlage. Holz, die sicher ästhetischste Möglichkeit, schied
damit aus. Wir wurden fündig bei einer kleinen Unternehmung, die
sich mit der Verarbeitung von Polymerbeton beschäftigte, ein
Material, das in Verbindung mit Granulat, Sand, Harzen und Härtern
in Formen vergossen werden kann. Dieser Prozess erlaubte gleichzeitig
das Aussparen der Achsaufnahme, der Kammern für die
Luftfederfüsse als auch das Einlassen von Gewindehülsen
für die Stellschrauben und der Tonarmbase. Wir ertüftelten
eine Weile die günstigste Relation für die Größe
der Zarge im Verhältnis zu ihrem Gewicht und den verfügbaren
Federn und liessen eine Form bauen. Zu beachten war, dass das
Polymermaterial beim Abbinden Reaktionshitze erzeugt und dadurch Formen
nicht masshaltig bleiben. Die Form musste also in Übergrösse
konzipiert sein und ein Steinmetz später das Ganze definiert plan
schleifen. Eine ziemlich aufwändige Angelegenheit. Nachdem wir
diesen Prototypen eine Weile in Erprobung hatten und sich das Resultat
als überzeugend darstellte, fuhren wir wieder zu Jean Constant
Verdier, der zu allen Zeiten in dieses Projekt einbezogen war, um sein
Einverständnis für diese Alternative einzuholen. Wir trafen
auf keinerlei Vorbehalte und konnten von nun an La Platine mit unserer
Zarge anbieten. Auf Wunsch der Besitzer wurden alle bis dahin
ausgelieferten Plattenspieler auf den neuen Sockel umgebaut. Und zur
Qualität: Rückrüsten mussten wir keine.
Hatte
Jean Constant Verdier mit der Entwicklung “der Verdier“ wie
Roland
Kraft einst schrieb “nicht das schönste Laufwerk der Welt,
sondern
lediglich einen ordentlichen Plattendreher“ bauen wollen, so gab
es
doch im Laufe der Zeit Zugeständnisse an den Zeitgeschmack. Nicht
unfroh darüber ersetzte J.C.Verdier die handwerklich schwierige
Granitozarge durch MDF, das unter anderem auch angesagte
Hochglanzlackierungen zuliess. Erst der letzte grosse Test im deutschen
Magazin Audiophile mit der Polymerbetonzarge auf dem Titel löste
u.a. neue Nachfrage nach der “Original-Verdier“ aus (Heft
1/2001, Autor
Dalibor Beric. Wir werden den Test auf unserer Website zeigen, wenn wir
die Veröffentlichungsrechte dafür erworben haben). Das
“Vintage“ genannte Modell fand so seine Käufer auch in
Fernost,
trotz der Verarbeitungsproblematik des Terrazzo. Wir hatten uns dieser
Hochglanzmode nie angeschlossen und fühlten uns jetzt
bestätigt.
Für Aufruhr und Verunsicherung sorgte
Anfang der 90er ein schweizer Scene-Heft, in dem unser Material aufs
schärfste in Frage gestellt wurde. Man implizierte, es handele
sich um Bodenplatten, die aus akustischen Gründen völlig
ungeeignet seien und - wenn schon - wenigsten hochglanzgeschliffen sein
sollten. Zu den hervorragenden dämpfenden Eigenschaften des
Polymersteins verwiesen wir schon damals auf Untersuchungen der
Universitäten Darmstadt und Magdeburg die mit diesem Material
arbeiteten. Hochglanzfinish war nicht möglich, da Granulat und
Füllstoff unterschiedliche Dichten aufweisen, die in
unterschiedlichen Schleifgeschwindigkeiten bearbeitet werden
müssen. Es handelt sich bei diesem Polymerstein übrigens um
identisches Material, mit dem in den 80er Jahren auch die renommierten
Lautsprecher Dialog Logos von Goldmund produziert wurden und auch
für die SL 700 Cliffstone von Celestion wurde Polymerbeton
für den Gehäusebau verarbeitet. Nicht eben schlechte
Referenzen.
Wie der Polymersockel der deutschen Verdier stiess
auch der von Jean Constant Verdier gewählte Motor auf
eidgenössische Kritik. Er wurde als völlig ungeeignet erkannt
und man versuchte das auch zu begründen. Bemerkenswert waren die
Beiträge eines ehemaligen Journalisten von DAS OHR, der sich nun
nicht scheute, das von ihm einst mit den genialen Konstruktionen von
Leonardo da Vinci verglichene Laufwerk als das Konstrukt eines
musikalisch ungebildeten Herstellers zu bezeichnen.
Glücklicherweise wusste man auf beiden Seiten auch gleich Abhilfe
zu leisten, indem man im befreundeten Umfeld eigene Plattenspieler
plante bzw. auch konzipierte, ohne sich dabei jedoch von der Vorlage
lösen zu können, mit wenigen eigenständigen
Veränderungen, die man dann als “verbesserte“ Verdier kommerziell
an den Mann zu bringen suchte. Ein Schelm, wer Böses dabei
denkt...? Ein Exemplar des dafür gewählten Motors wurde von
einem der Verdierbesitzer erworben und zum Gegenhören ins
Auditorium gebracht. Etwas von “Lehrgeld“ murmelnd überliess er
uns seinen Neuerwerb und benutzte wieder den Originalmotor. Anwesend
waren damals einige weitere Verdierbesitzer, die noch heute über
diese Anekdote schmunzeln.
Für uns ist immer wieder ebenso
bemerkenswert wie rätselhaft, dass einem Hersteller, der mit
beträchtlichem Aufwand und enthusiastischer Hingabe - es wird wohl
niemand ernsthaft behaupten wollen, die Verdier sei mit ihrem uneitlen
Konzept und Design auf merkantile Kommerzialität ausgerichtet -
ein Produkt erarbeitet, im Laufe der Entwicklungsarbeit unzählige
Detailfragen zu lösen und entscheiden hat, offenbar nur die
Fähigkeit zum groben Entwurf zugestanden wird, für den
Feinschliff dann aber der “Bessermacher“ bedarf, um es erst durch deren
Zutun zur Vollendung zu bringen. Damals ahnten wir noch nicht, dass uns
dieses Phänomen immer wieder begegnen sollte - Stichwort Rondo und
SoloVox.
In Deutschland brachte es die Verdier zu hohem Ansehen,
die Nachfrage ist noch immer konstant - Nomen est Omen? - und nur
selten ist eine Platine auf dem Gebrauchtmarkt zu finden - und wenn,
dann zu Preisen, die oft nur unwesentlich unter jenem liegen zu dem sie
einst erworben wurde. Für ihre Besitzer ist sie der ruhende Pol
ihrer Anlagen, der souverän und unangefochten Moden
überdauert.
Wie schon die Mannschaft von L'Audiophile reizte natürlich auch uns das vergleichende
Hören zwischen CD-Playern der damaligen Zeit (siehe Testbericht)
und der Platine Verdier. Unter den dabei Anwesenden fand sich niemand,
der danach sein Laufwerk gegen einen digitalen Wandler eingetauscht
hätte. Es ergab sich, dass der Dirigent Eliahu Inbal einen Termin
vereinbarte, der Interesse hatte, sich seine ersten mit Denon digital
produzierten CDs einmal mit “Voice of the Theatre“ anzuhören und
natürlich reizte auch ihn der Vergleich zur analogen Technik.
Danach fragte er: “Woran liegt es bloss, dass die CD so viel weniger
emotionale, atmosphärische und natürliche Inhalte
vermittelt?“ Hätten wir oder andere darauf eine Antwort gehabt,
gäbe es heute vielleicht keine anologen Quellen mehr. Seine
Erlebnisse bei diesem Vergleich führten dazu, dass er sich auf
unsere Bitte hin auf der folgenden frankfurter HighEnd Show mit seiner
Autorität beim Geschäftsführer von Denon in Deutschland
dafür verwendete, unsere damalige Tonabnehmerreferenz DL 103 nicht
aus der Produktion zu nehmen, wie es damals kursierende Gerüchte
befürchten liessen. So betrachtet haben wir doch eine ganze Menge
erreicht für die Freunde der analogen Wiedergabe, die das System
immer noch gerne benutzen. Auch das ist schon 15 Jahre her.
Die
Erfolgsgeschichte der Verdier bestimmten glücklicherweise ihre
Besitzer und nicht die “Talkabouts“. Für uns ist es ein Erfolg, wenn
sich ein Produkt über mehr als 25 Jahre lang nahezu unverändert in
einem sich so schnell wandelnden Markt behaupten kann.
Danken
möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich den engagierten
Fachhändlern, die sich über all die Jahre für das
Produkt eingesetzt haben und denen Margen-Denken nicht einziger Motor
ist. Die Verdier ist keine versandtaugliche Kartonware, kein
Plug-and-Play-Produkt, sie sucht Charaktere, sie ist trotz ihres
Gewichts sensibel und subtil und dennoch keine Mimose, gar nicht
marktschreierisch und bedarf gerade deshalb der unterstützenden
Hand unserer Fachhändler.
Die unterschiedlichen Veröffentlichungen sind als PDF-Dateien verfügbar
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