Artikel
aus
DIAPASON
Juli/Aug. 02

Autor
Thierry
Soveaux



















































Inhalt



 
Rondo, Auditorium 23

Die Theorien in der Hifidelity sind so zahlreich und widersprüchlich, daß der oft am besten zu fahren meint, der viele Kompromisse kombiniert.

Unter den einander widersprechenden Thesen zum Lautsprecherbau findet eine besonders großen Zuspruch: Verfolgung größtmöglicher Neutralität bei der Konstruktion des Gehäuses, Unterdrückung jeder Eigenschwingung - der Klang soll nur durch die Membran und die je nach Prinzip unterschiedlich geführten Luftsäule erzeugt werden. Viel seltener geht man den entgegengesetzten Weg und entwirft das Lautsprechergehäuse als Instrument. Ein auf solche Weise aus der Rolle fallender Lautsprecher ist die Rondo. Das in bester Tischlerkunst gefertigte Holzgehäuse stellt sich tatsächlich als Instrument dar, mit seinen Eigenresonanzen und spezifischem Eigenklang. Der Resonanzkörper der Rondo erinnert frappierend an ein großes Streichinstrument, seine Seitenwände verlaufen nicht parallel zueinander sondern sind gewölbt. Das verwendete Holz ist 4 mm dick und nicht maschinell vorgeformt, sondern mit Techniken unter Spannung gebracht, wie man sie vom Instrumentenbau kennt. Die Rondo ist mit einem 210 mm Breitbandchassis ausgestattet, dem berühmten PHY-HP aus Frankreich. Dieser hochinteressante Wandler leitet sich vom vielgerühmten Supravox 215 RFT (1965) her. Die Exponentialmembran aus Papier zielt mit geringem Gewicht auf Reduktion der Massenträgheit und bestes Impulsverhalten, der Korb besteht aus Bronze. Das sehr kostspielige Chassis lässt eifersüchtig gehütete Herstellungstechniken wieder aufleben (historische Klebetechnik, papierene Schwingspulenträger). Zu den entscheidenden Charakteristiken der Rondo gehört die Nutzung der rückwärtigen Abstrahlung durch Aussparungen im Gehäuse, eine Weiche gibt es ebensowenig wie dämmende Materialien.

Das Hören

Wir haben die Rondo mit Schallplatten und CDs gehört, in einem verhältnismäßig kleinen Raum, der den dynamischen Qualitäten, der stereophonen Abbildung und der klanglichen Entfaltungskraft des Lautsprechers sicher nicht gerecht werden konnte. Das Ergebnis war trotzdem beeindruckend, die Rondo hat vor allen anderen die Fähigkeit, Musik und nur sie zum Ausdruck zu bringen. Alles steht hier eindeutig abseits hergebrachter HiFi-Klangkategorien, vergeblich sucht man exzessive Dynamik, hohe oder tiefe Spitzentöne, die einem den Atem nehmen. Das Ganze scheint darauf abgestimmt, die Mittellagen (dort, wo das Ohr am empfindlichsten ist) mit größtmöglichem Nachdruck und höchster Raffinesse wiederzugeben; die Subtilität der Musikwiedergabe findet ihren vollkommendsten Ausdruck in der Feindynamik, wenn das Vibrato von Oistrach im langsamen Satz des Brahmskonzerts unglaublich spürbar, fühlbar, ergreifend wird oder auch in den sinnlichen Rhythmen eines Strausswalzers oder im unbezähmbaren Swing der Tänze in der Westside Story.

Dagegen fanden wir, daß es dem Cembalo ein wenig an Durchsichtigkeit und Spitzen in den Höhen mangelte, hier hat das Breitbandprinzip vielleicht seine Grenzen. Die Magie wirkt übrigens mehr beim Hören von Vinyl (man argwöhnt ein heimliches Einvernehmen zwischen der Rondo und der Mikrorille...). Die Wiedergabe erfährt eine Art Vollkommenheit, sowohl bei den seidigen Klangfarben von Instrumenten (wie man es von der vereinfachenden CD nicht kennt) als auch im Bereich grosser Dynamik. Ein solches Hörerlebnis vermittelt die seltene Erfahrung einer sublimierten Musikwiedergabe, die sich von der Körperlichkeit des Klangs löst, um nichts anderes zu vermitteln, als die Inspiration und den Geist der Musik.

Beim Hören der langsamen Sätze der Symphonie Nr. 88 von Haydn, dirigiert von Karl Böhm, ist man ergriffen vom Vibrieren der Akkorde der Celli und der harmoniereichen Kontrabässe, ebenso wie über den faszinierend melodiösen Ausdruck: Die Rondo selbst scheint die Musik zu erzeugen. Das heisst, wer einen Lautsprecher bevorzugt, der den Hörer in die achte Reihe oder das Parkett versetzt, wer die Plastizität, die Dynamik, kurz, die physische Präsenz eines grossen Orchesters mit voller Besetzung schätzt, bleibe auf seinem Weg (obwohl Kenner sagen, daß die Rondo auch hier in einem entsprechend großen Hörraum wahre Heldentaten vollbringe...). Wer sich aber auf den Rängen des Theaters selbstvergessen der Musik hingibt, wer die verschwebenden Impressionen ebenso bewußt genießt wie die sinnliche Qualität, der sollte sich diesen jenseits der üblichen Norm liegenden Lautsprecher unbedingt anhören.


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