Testbericht
aus
Image-Hifi
3/2000



























































































Inhalt



 


Etwas traurig stimmt mich die unabwendbare Tatsache, dass meine altgediente Roiene jetzt in Rente geht. Der Schwur, die Rondo nur über meine Leiche wieder herzugeben, erfolgte zugegebenermaßen schon nach zehn Hörminuten, ein Reflex, der mich erstmals seit der Platine Verdier wieder mit solcher Mächtigkeit ereilte.

Wahrscheinlich ist es das Beste, Sie vor der Lektüre des nun folgenden Berichtes eindringlich zu warnen. Denn nicht wenige Leser werden sich über den Berichterstatter ärgern, ihn womöglich gar für verrückt erklären. Diesem Risiko zum Trotz glaubt der Erzähler, dass das vorliegende Phänomen weder ignoriert noch weggeleugnet werden kann. Im Gegensatz zu anderen nur schwer glaubhaften Erscheinungen steht das zu diskutierende Thema nämlich leibhaftig vor uns, es kann herumgetragen, an Verstärker angeschlossen oder schlicht nur begafft werden. Dass es sich dabei tatsächlich um einen Lautsprecher im landläufigen Sinne handelt, werden viele allerdings bezweifeln, andere völlig in Abrede stellen. Zumal die "Rondo" - so heißt unser Fall - mit dem vermeintlichen, sprich allseits für gültig erklärten Stand der Technik nicht viel zu tun hat, ja sogar imstande ist, die vorherrschende Lehrmeinung ad absurdum zu führen. Und noch eine Warnung: Der Autor dieser Zeilen hat zu allem Überfluss beschlossen, nicht objektiv - wie es eigentlich seine Pflicht wäre - über die Geschehnisse zu berichten, sondern sich vielmehr ganz auf die Seite des Probanden zu schlagen. Erwarten Sie also eine Story, in der es von offenkundig subjektiven, stark eingefärbten, völlig einseitigen Äußerungen nur so wimmelt, rechnen Sie mit einem Bericht, der polarisierend, überzeichnend, berechnend und natürlich auch boshaft ist.

Höchste Zeit, meine Einstellung zur derzeit vorherrschenden Lautsprechertechnik zu outen: Laaaaangweilig! Ach, Sie sind anderer Meinung? Lassen Sie mich raten: Wahrscheinlich haben Sie eines jener sattsam bekannten High-End-Monster im "Hörraum" stehen, 100 Kilo schwer, Vier-Wege-Prinzip, mit quadratmetergroßer Frequenzweiche, Irrsinns-Innenverdrahtung plus handgedrehte, vergoldete Spikes, massive Alu-Chassis-Flansche, et cetera, et cetera. Und Sie haben für den Kauf der Kiste selbstredend eine fünfstellige Summe aus ihrem Konto gebohrt, wohl wissend, dass ein ähnlicher Betrag für den Antrieb, sprich eine dicke, fette Endstufe fällig ist. Weil sich das gute Stück - so weit sind Sie auch schon gediehen - quasi erst dann richtig vom Fleck rührt, wenn 200 Watt an den Klemmen verrauchen, stimmt's? Und, nun kommt das Schlimmste, so richtig zufrieden sind Sie nicht, habe ich recht? Natürlich habe ich recht. War ja auch einfach: Schätzungsweise mindestens 50 Prozent aller Boxenbesitzer sind mit Ihrer Anschaffung nicht zufrieden. Oder, was ebenfalls häufig vorkommt, weiterhin auf der Suche nach dem "absoluten" Lautsprecher. Ich kann Sie übrigens sofort beruhigen: So ein Ding existiert nicht und wird auch nie existieren. Was - unter anderem - daran liegt, dass es einfach unmöglich ist, ein Live-Erlebnis eins zu eins in die Wohnung zu transportieren, ganz gleich, was Ihnen HiFi-Hersteller, HiFi-Redakteure oder HiFi-Händler auch weismachen wollen.

Trotzdem bleibt fairerweise zu konstatieren, dass natürlich durchaus ordentliche, ja sogar bisweilen erstaunliche Lautsprecher existieren. Aber leider gibt es auch viele, schlicht untereinander austauschbare, gesichts- und charakterlose Konstruktionen, die nicht wenige Nutzer musikalisch kaltlassen. Von der schon erwähnten Unzufriedenheit als Dauerzustand profitieren aber auch ganz andere Herrschaften, nämlich die Super-Power-Monster-Wahnsinns-Manufakturen plus deren Marktschreier.

Da kostet das Kilo Box schon mal 1000 Mark, wobei man der Mehrheit dieser meist potthässlichen Konstrukte zugute halten muss, dass im Gegensatz zu den auch in sogenannten High-End-Boxen oft üblichen Zwei-Mark-Fuffzig-Treibern hin und wieder halbwegs ordentliches Chassismaterial vergewaltigt wird, sorry, zum Einsatz kommt. Doch auch damit sind die geforderten Honorare höchstens ansatzweise zu erklären, wenngleich der Künstler selbstredend Jahrzehnte mit der Entwicklung des Monstrums verbracht hat.
Wenn jemand allen Ernstes eine sechsstellige Summe für einen Lautsprecher aufruft, dann muss der a) goldplattiert, b) diamantbesetzt oder c) aus Mondgestein gefräst sein. Obendrein sind 99 Prozent dieser Dinger einfach nach dem Anti-Intelligenz-Prinzip "Viel hilft viel" gebaut. Maße und Gewichte sprechen da für sich selbst, erzeugen bestenfalls ungeheure Bassgewitterfronten, die von nicht wenigen Zuhörern fälschlicherweise als Musikwiedergabe interpretiert werden. Ich selbst habe noch niemals einen dieser so genannten Lautsprecher, vom Frequenzumfang abgesehen, auch nur ansatzweise besser spielen hören als eine gute 300-Mark-Zweiwegebox. Meiner Meinung nach existieren die Saurier nur aus einem einzigen Grund: Es gibt immer irgendwo jemand, der sich so etwas zulegt. Und besagtem Künstler langt ein Stück, um sorgenfrei übers Jahr zu kommen. Dummerweise gibt es ein paar Künstler, die sogar satte Verkaufszahlen vorweisen, plus ein paar andere Künstler, die solche Musikdampfer auch noch unreflektiert propagieren. Ich bin übrigens, falls Sie in diese Richtung gedacht haben sollten, keineswegs einfach nur neidisch. Als Tester kriegt man so eine "Superbox" womöglich einfach hingestellt und muss dann zusehen, wie man sie wieder los wird.

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