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Testbericht aus Image-Hifi 3/2000
Inhalt
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| | | | | | | | Hoppla, jetzt bin ich ja schon wieder
ganz fürchterlich am Lästern, also machen wir am Besten
gleich weiter damit: Ich behaupte nämlich, dass die
Lautsprecherkonstrukteure der Vergangenheit deutlich intelligenter und
einfühlsamer gearbeitet haben. Dazu zwang allein schon der
Umstand, keine im heutigen Sinne nennenswerte Verstärkerleistung
zur Verfügung zu haben, plus die Tatsache, dass die
kalkulatorische Seite der Medaille mehr Spielraum ließ als
heutzutage. Man konnte damals mit geringer Membranfläche und
weniger als zehn Watt ein Kino beschallen, für den Hausgebrauch
galten drei Watt als horrend viel. Die alten Chassis fielen
übrigens nicht aus irgendeiner Maschine, sondern waren das mehr
oder weniger gute Ergebnis aufwendiger, sorgfältiger Handarbeit.
Und noch etwas: Der Glaube, dass ein korrekter
(Musik-)Wiedergabefrequenzgang möglichst 20 Hertz bis weit
über 20 Kilohertz hinaus zu umfassen habe, ist neueren Datums und
hängt unter anderem mit a) Marketing, b) krampfhaft auf
Objektivierbarkeit bedachten Testkriterien sowie c) technikorientiertem
Musikverständnis (ein Widerspruch in sich, nicht wahr?) zusammen.
Mangelnde Effizienz wird durch Energiezufuhr ausgeglichen
Viel
und vor allem billige Verstärkerleistung sowie die früher
extrem teure Magnet- und Membrantechnik veranlassten die Konstrukteure,
den Spieß herumzudrehen. Alu- und Plastikmembranen entspringen
heutzutage billiger Massenproduktion, die mangelnde Effizienz moderner
Magnete kann leicht durch simple Energiezufuhr ausgeglichen werden. Der
modernen Lautsprechertechnik verdanken wir deshalb so tolle Resultate
wie etwa die kreischende Metallmembran, das tumb herumwabernde
Polypropylen-Chassis oder Kalotten, die bei 40 Kilohertz Hunde
erschrecken, von Plasmahochtönern, Bändchen-, Folien-, oder
Was-auch-immer-Wandlern mit 70 Dezibel Wirkungsgrad ganz abgesehen. Der
geradezu irrsinnig hohen und in erster Güte verdammt teuren
Verstärkerleistung verdanken wir schließlich höchst
komplexe, im Extrem-, sorry, Idealfall quadratmetergroße
Frequenzweichen, die mehr innere Verluste aufweisen, als eine gute Box
Leistung braucht, aber was soll's? Der Frequenzgang - den ja eine
Zeitung veröffentlichen könnte - ist auf schnurgerade
kompensiert, und das Foto zeigt auch den Vier-Kilo-Hochtonkondensator.
Nicht zu vergessen das Gehäuse, ach was, der Tresor: Manchmal hat
man das Gefühl, lediglich die Transportkostensituation oder die
Tragfähigkeit von Decken in Einfamilienhäusern verhindern
noch halbmeterdicke Stahlwandungen oder MDF-Einsatz in der
Zehn-Tonnen-Kategorie.
Sie haben sicher längst gemerkt,
worauf ich eigentlich hinaus will: Die derzeit einzig sichtbaren
"Verbesserungen" triefen geradezu vor degenerativen Effekten, vor nur
um Größenordnungen gesteigerter Wiederholung des immer
Gleichen. Woran seltsamerweise auch in dicken Papierstapeln
dokumentierte technische Vervollkommnung nichts zu ändern scheint,
denn die Kisten klingen keinen Deut besser als ihre Vorgänger,
eher sogar leb- und farbloser, irgendetwas zwischen akademisch und
bürokratisch, nur nicht musikalisch, das Gemüt ansprechend.
Und seltsamerweise bescheinigt man in den Besprechungen gerade
sogenannten Top-Lautsprechern immer öfter, zwar unheimlich gut,
bodenlos sezierend, gnadenlos genau, positiv unspektakulär zu
sein, aber alles andere als das berühmte "Fußwippen" -
gleichzusetzen mit dem positiv vereinnahmten Zuhörer -
auszulösen... Braucht man dazu eigentlich unbedingt zwei
500-Watt-Super-Monoblöcke und davor die anerkannt weltbesten
Komponenten, weil die Wahnsinnsbox ansonsten gnadenlos
rüberreicht, wie lausig das eigene Zeugs ist? Mit anderen Worten,
es klingt fürchterlich? Da müsste es doch, vielleicht sind
wir uns da einig, andere, intelligentere Wege geben. Nein, keine, die
für 100 Mark offenstehen, weil echte Qualität, da verstehen
wir uns sicher auch, immer ihren Preis haben wird.
Die Rondo drückt mit sagenhaften acht Kilo auf die Waage
Womit
wir endlich bei unserem knapp 10000 Mark teuren Thema wären: der
Rondo. Die pro Kanal mit sagenhaften acht (!) Kilogramm auf die Waage
drückt und allein schon damit allen geltenden Regeln des Boxenbaus
ihren hölzernen Allerwertesten zeigt. Doch zunächst einmal
eine simple Schilderung der Probandin: Sie steht auf drei
hölzernen Füßen, die nicht in Form von Spikes
ausgebildet sind, sondern eher an simple Möbelfüße
erinnern, ist 113 Zentimeter hoch, 40 Zentimeter breit und gut einen
halben Meter tief. Der Querschnitt entspricht ziemlich genau der Form
einer Bocksbeutelflasche, weshalb das Konzept anfangs auch auf den
Namen "Bocksbeutel" getauft wurde. Die Schallwand der Rondo besteht aus
16 Millimeter dickem Nadelsperrholz, den Rest des Boxenkörpers
formt sprichwörtlich lediglich drei Millimeter dickes
Birkensperrholz. Am hinteren Auslauf des "Boxbeutels" ist die Rondo,
mit Ausnahme einiger versteifender Holzeinsätze, weitgehend offen,
und - der Clou - sie besitzt auch keinen Boden, sondern das
Gehäuse ist nach unten hin völlig offen. Innere Versteifungen
oder Verstrebungen - wieder eine geltende Regel verletzt - sind nicht
vorhanden. Sind Sie noch dabei? Okay - gehen wir mal davon aus, dass
Hardcore-Highender spätestens jetzt aufgegeben haben - oder nur
dabeibleiben, um sich zu ärgern -, und dass der Rest meiner Leser
toleranter veranlagt ist. Denn jetzt wird's noch unheimlicher: In der
Rondo-Schallwand sitzt nur ein einziger Treiber. Wir hören
nämlich jetzt "full range", oder auf deutsch "breitbandig". "Back
to the roots", lautet die Regel. Nein, kein Koax-Chassis, kein wie auch
immer gearteter Hochtöner. Nichts außer einem sogenannten
Breitbänder, dem wir einen Membrandurchmesser von knapp 20
Zentimetern bescheinigen dürfen. So. Jetzt sind auch die letzten
HiFi-Fans verschwunden, haben schnell weitergeblättert, nicht ohne
- vielleicht mit Bedauern - zu konstatieren, dass wieder einmal ein
Schreiberling weggedriftet, ausgerastet, endgültig verrückt
geworden ist. "Wahrscheinlich zu viele Jahre High End", wird es
heißen, "den hat's jetzt auch erwischt". Und: "Breitbänder,
Drei-Millimeter-Gehäuse, haha, sonst noch was?" Na gut, weg sind
sie. Schon mit dem Artikel über den 20000-Mark-Vorverstärker
beschäftigt. Oder dem Kabeltest, falls einer da ist. Und damit
sind wir kleines Häufchen Verrückter endlich unter uns -
hallo, Jungs!
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