Testbericht
in
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Heft 45

Mai/Juni
2002

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Inhalt



 
Mit dem Aurièges weicht Ken Shindo meines Wissens nach erstmals vom lange gepflegten normalen Gehäuseformat ab. Die neue Vorstufe kommt in zwei deutlich kleineren Gehäusen daher, von denen eines nur das Netzteil birgt. Und selbstredend gibt es einen MM-Phonoeingang, womit der Aurièges in den Augen eines Analog-Fans einen kompletten Vorverstärker darstellt. Der zwar alles andere als ein Anschlusswunder ist, mit drei Hochpegeleingängen aber üblichen Anforderungen gewachsen sein dürfte. Ein Tape-Ausgang existiert nicht, was die Zielgruppe freilich kalt lassen dürfte. Wer nun glaubt, mit dem Aurièges schiesse ein nunmehr hart kalkulierender Ken Shindo lang gepflegte Prinzipien in den Wind, der irrt sich: Auch im nur 28 Zentimeter breiten Gehäuse des Newcomers steckt eine komplett frei verdrahtete Schaltung, die mithilfe althergebrachter Lötleisten und aufwendiger Lötarbeit realisiert wurde. Das Gleiche gilt fürs Netzteil, dessen Anschlusskabel nur etwa 20 Zentimeter lang ist. Den Stromerzeuger getreu alter High-End-Manier ins nächste Dorf zu verbannen fällt folglich flach, zumal sich herausstellt, dass das Netzteil nicht im Traum daran denkt, den Amp mit Brummeinstreuungen zu verseuchen. Der tiefere Grund dafür ist ein spezieller Netztransformator, der sein Störfeld weitestgehend bei sich behält. Und damit ist sonnenklar, dass beide Gehäuse getrost aufeinander stehen dürfen, was dem schnuckeligen Anblick dieser Kompakt-Vorstufe nur förderlich ist.

Bekanntermassen benutzt Ken Shindo in seinen Vorstufen gerne einen Ausgangsübertrager. Einzige Ausnahme war bisher das schon länger nicht mehr lieferbare Einsteigermodell "Claret". Auch der Aurièges muss nun ohne diese bewährte Technik auskommen. Weitergehende Kompromisse sind - vielleicht abgesehen von dem Umstand, dass es keine zwei Mono-, sondern nur ein Stereo-Lautstärkepoti gibt -, eigentlich nicht zu verzeichnen. So werkelt auch hier im Netzteil eine ebenfalls klanglich bewährte Gleichrichterröhre plus Siebspule ("Choke") sowie eine transistorierte Regelung für die Heizspannung. Ebenfalls wieder gesichtet werden die von Shindo sehr gerne benutzten Mehrfach-Elkos alter Bauart und - erstaunlich! - ein Transistor in der Anodenspannungsversorgung. Der versieht hier allerdings keine Regelungsaufgaben, sondern dient vielmehr dazu, durch einen kleinen Schaltungstrick den Geräuschspannungsabstand zu verbessern.

Ein weiteres Ensemble von Siebkondensatoren folgt dann im zweiten Gehäuse, das die Verstärkerschaltung beherbergt. In aufwendiger Handarbeit verlötet, sitzt hier wieder ein höchst eigentümliches Gemisch aus "New-Old-Stock"-Material und modernen elektronischen Bauteilen einträchtig nebeneinander zwischen Lötösen. Die insgesamt vier Röhren sind liegend angeordnet und geben zunächst Rätsel auf - es handelt sich eben nicht um die "üblichen Verdächtigen" in Form altbekannter Doppeltrioden. Stattdessen verwendet der kreative Japaner so genannte Verbundröhren, die ansonsten eher in betagten Radios zu finden sind: Ein Trioden- und ein Pentodensystem teilen sich ein- und denselben Glaskolben, eine Konstruktion, die einst vor allem aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus entwickelt wurde. Röhren sparen, lautete damals eben die Devise. Nicht sparsam war dagegen Shindo, der bei Quellenwahlschalter und Poti genau dieselbe Qualität wie in allen anderen seiner Vorstufen einbaute.

Die hoch verstärkenden Pentoden machen sich freilich auch woanders bemerkbar: Der Aurièges liefert ein gerütteltes Mass an Verstärkung, womit bezüglich des für MC-Systeme verwendeten Übertragers ein eher "leiser", also nur schwach übersetzter Trafo zum Einsatz kommen sollte. Nicht schaden könnte auch eine Endstufe mit Eingangspegelregler. Dabei sollte man nicht übertrieben puristisch denken, sondern vielmehr praktisch daran, die Eingangsempfindlichkeit eines Endverstärkers präzise anpassen sowie dort auch die Balance regeln zu können. Und in der Regel geht jeder (Röhren-) Vorverstärker etwas besser, wenn sein Poti zwischen zehn und drei "Uhr" benutzt wird.

Zugegeben: Meine eingangs gehegte Befürchtung, dass der Aurièges vor allem mittels CD-Player auf Trab zu bringen sein dürfte - mit anderen Worten: womöglich nur über eine abgespeckte Phonostufe verfügt -, verflüchtigte sich mit den ersten Takten. Denn die gelten immer noch der guten, alten Schallplatte, diesmal im Teamwork mit diversen MC-Übertragern von Ortofon, Shindo und Denon. Wobei es hier eigentlich Unfug ist, in die Vollen zu greifen und einen Trafo zu benutzen, der halb so viel wie der Aurièges kostet. Einen guten Kompromiss stellen die preisgünstigen Übertrager von Auditorium 23 dar, die mit dem kleinen Shindo sehr gut harmonieren. Im Hinterkopf behalten sollte man zudem den Umstand, dass ein schachtelneuer Röhrenverstärker eine gewisse Einbrennzeit beansprucht. So auch der Aurièges, dessen Röhrensatz erst nach fünf bis sechs Stunden Betrieb zu voller Form auflief.

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