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Auditorium
23 wurde nicht gegründet, es entstand spielerisch aus Lust an
Musik. Diese Lust führte uns auch nach Frankreich, zu Leuten, die
von sich reden machten, weil sie damals völlig andere Wege gingen,
als “der Rest der Welt“: L'Audiophile. In einer Zeit, in
der die Wattleistung eines Transistorverstärkers so
prestigeträchtig war wie die PS-Zahl eines Autos, erlaubte man
sich die Ungeheuerlichkeit, historische Röhrenverstärker mit
3-5 Watt Leistung aus den Kellern zu graben, sie vor sensible
Hornlautsprecher zu spannen und das Ganze auch noch einer
Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Ergebnis überzeugte
nicht nur uns. Man konnte hier eine Qualität der Musikwiedergabe
erleben, wie sie moderne Hifi-Anlagen oft nicht vermitteln. Die
jährlichen Vorführungen von L'Audiophile in kleinen Kinos
(übrigens immer begleitet von einer Platine Verdier) sind heute
Legende, der Kultstatus gesichert.
Uns wurde klar, daß nur
dies unser Weg sein kann und wir begannen, einmal nach hinten zu
schauen. Wir lernten viel auf unserer Reise in die Vergangenheit, auch
darüber, was auf dem Altar der kostenorientierten
Produktionsweisen, der Meß- und Regeltechnik und dem unkritischen
Vertrauen in die vermeintlichen Vorzüge moderner Materialien
geopfert wurde.
Unser Weg in Deutschland war steinig und hat von
Anfang an polarisiert: Die ersten 300 B Verstärker,
“laute“ Lautsprecher von Triangle, Roiene, Altec, Vitavox
und WE, ein Masselaufwerk mit magnetischer Lagerung von Laboratoire
Verdier, Ken Shindos Röhrenverstärker in Europa; alles war zu
der Zeit, da wir damit begannen, zu früh für den deutschen
Markt. Die Zeiten haben sich geändert. Der Anteil an
Triodenverstärkern im Markt steigt unaufhaltsam, die Röhren
dazu werden wieder neu gebaut. Laute Lautsprechersysteme werden von
allen Seiten neu entwickelt, Hörner sind schon lange nicht mehr
out. Masselaufwerke mit oder ohne magnetischer Lagerung sind
gängig, fedrige Leichtbau-Plattenspieler fast ausgestorben.
Rückwärtsgerichtetes Nach-vorne-Schauen läßt viele
Leute historische HiFi-Technik sammeln und ob der klanglichen Welten
staunen. So wird über fast Vergessenes neu nachgedacht. Reissues
werden von Macintosh, Marantz und Quad so gebaut, als wären sie
nie aus den Regalen des Handels verschwunden.
Bedeutend
ausgelöst in Europa durch die Publikation
“L‘Audiophile“ (ab 1977) und Autoren wie Jean Hiraga
und Philippe Viboud, in Japan durch Firmen wie Uesugi, Eltus, Kondo und
Shindo, die nicht neu anfangen mußten, wie viele andere Mitte der
90er, sondern nie aufgehört hatten, diesen Weg zu gehen, hat so
eine Szene mehr und mehr Bedeutung bekommen, die versuchte, kleinste
Leistung (Triodenwatt) und große Lautsprecher wie Onken, Altec,
JBL, Siemens, WE, fürs Musikhören zu nutzen. Die Chancen,
wirklich gute, gleiche, originale alte Lautsprecher zu bekommen, nahmen
dabei im Laufe der Zeit ab, eben weil die Nachfrage so drastisch
zunahm. Zu dieser Zeit wurde aus Kostengründen schon nicht mehr in
alter Qualität produziert.
Aus dieser Sicht war auch
für uns der Lautsprecher ein Problemfall. Lautsprecherkonzeptionen
von Auditorium 23 wie Latour, Marsannay (in "Stereophile" best sound of
the High End 95), und Morgane, waren lange Zeit mehr oder weniger
Unikate, die entwickelt wurden aus unseren historischen Beständen
wie Altec, Siemens, Western Electric. Erst mit Bernard Salabert und
seiner Unternehmung PHY-HP ist uns auf Zukunft die Möglichkeit
gegeben, mit seinem 21er fullrange und dem 30er widerange seriell und
damit verfügbar, Lautsprecher zu bauen, die im besten Sinne an
historische Werte und Traditionen der genannten Firmen anknüpfen
und sie zum Teil an Qualität übertreffen. Ein H21 LB15 hat
z.B. den Vergleich mit der Breitbandlegende WE 755 nicht zu scheuen.
Von
einem anderen Meister seines Fachs, Ken Shindo, lernten wir neues
Altwissen über den Umgang mit Energien. Nicht das Dämpfen um
jeden Preis und in jedem Bereich war gefragt, nicht das
“taube“ Holz, das keine Schwingung erleben darf, nicht die
sandgefüllte Schallwand, nicht das bleibeklebte Gehäuse. Wir
lernten, ein Lautsprechergehäuse als unterstützenden
Klangkörper zu begreifen, ähnlich dem eines Musikinstruments.
So
entstanden Lautsprecher wie Provence, Appassionata und Rondo.
Apassionata vielleicht der erste Lautsprecher, der aus speziellem
Tonholz gefertigt wurde, Rondo die konsequente Umsetzung der Hypothese,
ein Lautsprechergehäuse als Klangkörper zu interpretieren und
entstehende Energien nicht zu eliminieren, sondern sinnvoll zu nutzen.
Wir
beschritten einen völlig unbekannten Weg, der bei jedem Projekt im
Nichts enden konnte - und das auch manchmal tat - in anderen
Fällen ungeheuer lohnend und belohnend war im Ergebnis. Er
bescherte uns in jedem Fall etwas, das durch nichts zu ersetzen ist:
Erfahrungen. Kein Lehrbuch für Lautsprecherbau, kein Cookbook for
Tubedesign, keine übernommenen und nicht mehr hinterfragten
Parameter hätten die praktische Umsetzung jeder scheinbar noch so
abwegigen Idee ersetzen können. Wenn wir heute vom "musikalischen"
Lautsprechergehäuse sprechen (übrigens kein Begriff, den
Auditorium 23 kreiert hat), und damit einen dünnwandigen
"Klangkörper" meinen, muß auch klar sein, daß dies nur
in Verbindung mit dafür geeigneten Chassis machbar ist, bei den
meisten handelsüblichen Wandlern muß es mißlingen. Es
ist ungleich einfacher, ein schweres, rigides Holzgehäuse zu
fertigen, aus Preßspan, MDF oder was auch immer, mit Teppichboden
oder Bleiplatten beklebt, als einen leichten, mitschwingenden
Klangkörper, der sehr genau proportioniert und an den richtigen
Stellen stabilisiert sein muß. Schon das Furnieren der
Oberfläche kann alles aus der Balance bringen. Hier geben wir
Kollege Franck vollkommen recht: man muß schon wissen, was man
tut.
Das neue Nachdenken über Holzstärken entsprang
nicht dem übermütigen Entschluß “wir machen das
jetzt“, sondern wurde ausgelöst durch den Erwerb originaler
alter WE-Lautsprechergehäuse aus dem einfachen aber teuren Grund:
Um es zu wissen. Während unserer Zusammenarbeit mit
L‘Audiophile haben wir und einige unserer Kunden z.B. Altec
“Voice of the Theatre“-Gehäuse gebaut, strikt nach den
Vorgaben der Publikation “L‘Audiophile“, Heft 38. Wir
mußten erleben, daß diese perfekt und rigide gefertigten
Gehäuse nach heutigen Hifi-Kriterien zwar korrekt arbeiteten,
jedoch nicht die Klangqualität erreichten, die einst den Ruf von
Western Electric begründete. Die leichteren Originale der 40er
Jahre hatten eine Lebendigkeit und musikalische Glaubwürdigkeit,
die sich bei den gewichtigen Nachbauten so nicht einstellte.
Die
Erfahrungen, die wir anschließend mit unterschiedlichen
Bauvarianten immer gleicher Gehäuse in lediglich unterschiedlicher
Materialstärke machten, wären auch für andere Hersteller
lehrreich. Sie könnten vielleicht befruchten und dazu führen,
daß man sich endlich löst vom Einheitsklang und
“Schema F“ im Lautsprecherbau. Nur größer,
schwerer, teurer kann und darf der Weg nicht sein.
Durch die
Aufregung um »Rondo« in den letzten Wochen, den diversen
Briefen in Medien und Foren, die teilweise sehr unter der
Gürtellinie waren, sowohl Roland Kraft, für den wir das sehr
bedauern, als auch uns gegenüber, fühlen wir uns wieder auf
vertrautem Boden. Als wir, wie anfangs erwähnt, begannen, die
ersten single-ended Triodenverstärker in Deutschland wieder
salonfähig zu machen, hörten wir seitens der Fachpresse
(Ausnahme DAS OHR)*, daß man diesen Scharlatanen mit ihren 5
Watt-Geräten das Handwerk legen müsse, denn die HiFi-DIN-Norm
45500 müsse mindestens eingehalten sein. Beim Propagieren von
Hornlautsprechern formte fortan jeder Audio-Experte die Hände vor
dem Mund zur Tüte und konstatierte: Hörner verfärben.
Zur Platine Verdier wußten auch wieder die Fachmänner,
daß das Magnetlager das Magnetsystem des Tonabnehmers so anzieht,
daß eine einwandfreie Abtastung der Plattenrille nicht
gewährleistet sei. Das diesjährige Urteil von Stereo:
“Sorry, das war´s nicht“, betrachten wir als bekannten
Abwehrreflex.
Warten wir also ab, wann und wo die ersten dipolen
Gehäuseapplikationen erscheinen, die ersten Versuche mit
schwingenden Gehäusen seitens der Industrie laufen und das Ganze
dann in heute spottenden Fachmagazinen als DIE Innovation vermarktet
werden wird. Für uns ist das alles ein alter Hut.
Auditorium 23 Frankfurt, November 2000
*Wo finde ich in Deutschland eine Monotriode? (1989, Nr. 26, Richard Faust) Kleine Leistung ganz groß (1989, Nr. 28, Götz Wilimzig) Absolutismus aus Frankreich, Platine Verdier (1989, Nr. 29, Klaus Renner, Götz Wilimzig) Western Electric 300 B, ein ewiger Klassiker (1990, Nr. 30, Götz Wilimzig)
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