Der Kopf
ist rund, damit
das Denken
die Richtung
ändern kann.

Francis Picabia















































































































Presse-
kommentare

zur
HighEnd
2000






Inhalt



 
Innenansichten

Auditorium 23 wurde nicht gegründet, es entstand spielerisch aus Lust an Musik. Diese Lust führte uns auch nach Frankreich, zu Leuten, die von sich reden machten, weil sie damals völlig andere Wege gingen, als “der Rest der Welt“: L'Audiophile. In einer Zeit, in der die Wattleistung eines Transistorverstärkers so prestigeträchtig war wie die PS-Zahl eines Autos, erlaubte man sich die Ungeheuerlichkeit, historische Röhrenverstärker mit 3-5 Watt Leistung aus den Kellern zu graben, sie vor sensible Hornlautsprecher zu spannen und das Ganze auch noch einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Ergebnis überzeugte nicht nur uns. Man konnte hier eine Qualität der Musikwiedergabe erleben, wie sie moderne Hifi-Anlagen oft nicht vermitteln. Die jährlichen Vorführungen von L'Audiophile in kleinen Kinos (übrigens immer begleitet von einer Platine Verdier) sind heute Legende, der Kultstatus gesichert.

Uns wurde klar, daß nur dies unser Weg sein kann und wir begannen, einmal nach hinten zu schauen. Wir lernten viel auf unserer Reise in die Vergangenheit, auch darüber, was auf dem Altar der kostenorientierten Produktionsweisen, der Meß- und Regeltechnik und dem unkritischen Vertrauen in die vermeintlichen Vorzüge moderner Materialien geopfert wurde.

Unser Weg in Deutschland war steinig und hat von Anfang an polarisiert: Die ersten 300 B Verstärker, “laute“ Lautsprecher von Triangle, Roiene, Altec, Vitavox und WE, ein Masselaufwerk mit magnetischer Lagerung von Laboratoire Verdier, Ken Shindos Röhrenverstärker in Europa; alles war zu der Zeit, da wir damit begannen, zu früh für den deutschen Markt. Die Zeiten haben sich geändert. Der Anteil an Triodenverstärkern im Markt steigt unaufhaltsam, die Röhren dazu werden wieder neu gebaut. Laute Lautsprechersysteme werden von allen Seiten neu entwickelt, Hörner sind schon lange nicht mehr out. Masselaufwerke mit oder ohne magnetischer Lagerung sind gängig, fedrige Leichtbau-Plattenspieler fast ausgestorben. Rückwärtsgerichtetes Nach-vorne-Schauen läßt viele Leute historische HiFi-Technik sammeln und ob der klanglichen Welten staunen. So wird über fast Vergessenes neu nachgedacht. Reissues werden von Macintosh, Marantz und Quad so gebaut, als wären sie nie aus den Regalen des Handels verschwunden.

Bedeutend ausgelöst in Europa durch die Publikation “L‘Audiophile“ (ab 1977) und Autoren wie Jean Hiraga und Philippe Viboud, in Japan durch Firmen wie Uesugi, Eltus, Kondo und Shindo, die nicht neu anfangen mußten, wie viele andere Mitte der 90er, sondern nie aufgehört hatten, diesen Weg zu gehen, hat so eine Szene mehr und mehr Bedeutung bekommen, die versuchte, kleinste Leistung (Triodenwatt) und große Lautsprecher wie Onken, Altec, JBL, Siemens, WE, fürs Musikhören zu nutzen. Die Chancen, wirklich gute, gleiche, originale alte Lautsprecher zu bekommen, nahmen dabei im Laufe der Zeit ab, eben weil die Nachfrage so drastisch zunahm. Zu dieser Zeit wurde aus Kostengründen schon nicht mehr in alter Qualität produziert.

Aus dieser Sicht war auch für uns der Lautsprecher ein Problemfall. Lautsprecherkonzeptionen von Auditorium 23 wie Latour, Marsannay (in "Stereophile" best sound of the High End 95), und Morgane, waren lange Zeit mehr oder weniger Unikate, die entwickelt wurden aus unseren historischen Beständen wie Altec, Siemens, Western Electric. Erst mit Bernard Salabert und seiner Unternehmung PHY-HP ist uns auf Zukunft die Möglichkeit gegeben, mit seinem 21er fullrange und dem 30er widerange seriell und damit verfügbar, Lautsprecher zu bauen, die im besten Sinne an historische Werte und Traditionen der genannten Firmen anknüpfen und sie zum Teil an Qualität übertreffen. Ein H21 LB15 hat z.B. den Vergleich mit der Breitbandlegende WE 755 nicht zu scheuen.

Von einem anderen Meister seines Fachs, Ken Shindo, lernten wir neues Altwissen über den Umgang mit Energien. Nicht das Dämpfen um jeden Preis und in jedem Bereich war gefragt, nicht das “taube“ Holz, das keine Schwingung erleben darf, nicht die sandgefüllte Schallwand, nicht das bleibeklebte Gehäuse. Wir lernten, ein Lautsprechergehäuse als unterstützenden Klangkörper zu begreifen, ähnlich dem eines Musikinstruments.

So entstanden Lautsprecher wie Provence, Appassionata und Rondo. Apassionata vielleicht der erste Lautsprecher, der aus speziellem Tonholz gefertigt wurde, Rondo die konsequente Umsetzung der Hypothese, ein Lautsprechergehäuse als Klangkörper zu interpretieren und entstehende Energien nicht zu eliminieren, sondern sinnvoll zu nutzen.

Wir beschritten einen völlig unbekannten Weg, der bei jedem Projekt im Nichts enden konnte - und das auch manchmal tat - in anderen Fällen ungeheuer lohnend und belohnend war im Ergebnis. Er bescherte uns in jedem Fall etwas, das durch nichts zu ersetzen ist: Erfahrungen. Kein Lehrbuch für Lautsprecherbau, kein Cookbook for Tubedesign, keine übernommenen und nicht mehr hinterfragten Parameter hätten die praktische Umsetzung jeder scheinbar noch so abwegigen Idee ersetzen können. Wenn wir heute vom "musikalischen" Lautsprechergehäuse sprechen (übrigens kein Begriff, den Auditorium 23 kreiert hat), und damit einen dünnwandigen "Klangkörper" meinen, muß auch klar sein, daß dies nur in Verbindung mit dafür geeigneten Chassis machbar ist, bei den meisten handelsüblichen Wandlern muß es mißlingen. Es ist ungleich einfacher, ein schweres, rigides Holzgehäuse zu fertigen, aus Preßspan, MDF oder was auch immer, mit Teppichboden oder Bleiplatten beklebt, als einen leichten, mitschwingenden Klangkörper, der sehr genau proportioniert und an den richtigen Stellen stabilisiert sein muß. Schon das Furnieren der Oberfläche kann alles aus der Balance bringen. Hier geben wir Kollege Franck vollkommen recht: man muß schon wissen, was man tut.

Das neue Nachdenken über Holzstärken entsprang nicht dem übermütigen Entschluß “wir machen das jetzt“, sondern wurde ausgelöst durch den Erwerb originaler alter WE-Lautsprechergehäuse aus dem einfachen aber teuren Grund: Um es zu wissen. Während unserer Zusammenarbeit mit L‘Audiophile haben wir und einige unserer Kunden z.B. Altec “Voice of the Theatre“-Gehäuse gebaut, strikt nach den Vorgaben der Publikation “L‘Audiophile“, Heft 38. Wir mußten erleben, daß diese perfekt und rigide gefertigten Gehäuse nach heutigen Hifi-Kriterien zwar korrekt arbeiteten, jedoch nicht die Klangqualität erreichten, die einst den Ruf von Western Electric begründete. Die leichteren Originale der 40er Jahre hatten eine Lebendigkeit und musikalische Glaubwürdigkeit, die sich bei den gewichtigen Nachbauten so nicht einstellte.

Die Erfahrungen, die wir anschließend mit unterschiedlichen Bauvarianten immer gleicher Gehäuse in lediglich unterschiedlicher Materialstärke machten, wären auch für andere Hersteller lehrreich. Sie könnten vielleicht befruchten und dazu führen, daß man sich endlich löst vom Einheitsklang und “Schema F“ im Lautsprecherbau. Nur größer, schwerer, teurer kann und darf der Weg nicht sein.

Durch die Aufregung um »Rondo« in den letzten Wochen, den diversen Briefen in Medien und Foren, die teilweise sehr unter der Gürtellinie waren, sowohl Roland Kraft, für den wir das sehr bedauern, als auch uns gegenüber, fühlen wir uns wieder auf vertrautem Boden. Als wir, wie anfangs erwähnt, begannen, die ersten single-ended Triodenverstärker in Deutschland wieder salonfähig zu machen, hörten wir seitens der Fachpresse (Ausnahme DAS OHR)*, daß man diesen Scharlatanen mit ihren 5 Watt-Geräten das Handwerk legen müsse, denn die HiFi-DIN-Norm 45500 müsse mindestens eingehalten sein. Beim Propagieren von Hornlautsprechern formte fortan jeder Audio-Experte die Hände vor dem Mund zur Tüte und konstatierte: Hörner verfärben. Zur Platine Verdier wußten auch wieder die Fachmänner, daß das Magnetlager das Magnetsystem des Tonabnehmers so anzieht, daß eine einwandfreie Abtastung der Plattenrille nicht gewährleistet sei. Das diesjährige Urteil von Stereo: “Sorry, das war´s nicht“, betrachten wir als bekannten Abwehrreflex.

Warten wir also ab, wann und wo die ersten dipolen Gehäuseapplikationen erscheinen, die ersten Versuche mit schwingenden Gehäusen seitens der Industrie laufen und das Ganze dann in heute spottenden Fachmagazinen als DIE Innovation vermarktet werden wird. Für uns ist das alles ein alter Hut.

Auditorium 23
Frankfurt, November 2000


*Wo finde ich in Deutschland eine Monotriode? (1989, Nr. 26, Richard Faust)
Kleine Leistung ganz groß (1989, Nr. 28, Götz Wilimzig)
Absolutismus aus Frankreich, Platine Verdier (1989, Nr. 29, Klaus Renner, Götz Wilimzig)
Western Electric 300 B, ein ewiger Klassiker (1990, Nr. 30, Götz Wilimzig)