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SoloVox oder Purismus

Das Breitband-Prinzip hatte mich schon immer interessiert, kommt es doch dem von mir angestrebten Purismus-Gedanken in idealer Weise entgegen. Ich stelle mir vor, je weniger Teile vorhanden sind, die auf das Klanggeschehen Einfluss nehmen können, um so “richtiger“ ist die Wiedergabe. Die Reduzierung auf die absolut notwendigen Teile zur Erreichung einer authentischen Wiedergabe ist nach meinen seitherigen Erfahrungen ein interessanter und lohnender Weg. Mehr zu diesem Weg und meinen Geräten ist unter “Aurièges - meine neue Vorstufe“ zu erfahren.

Der Vorteil des Breitband-Prinzips liegt wohl darin, dass das Chassis an keiner Stelle durch ein Regelwerk ausgebremst wird und kein weiterer Mitspieler sich dann ins Klanggeschehen einmischt. Hört man eine Zeit lang Breitbandsysteme, erkennt man Mehrwegesysteme sofort. Es macht sich in der Wiedergabe immer eine Art Bruch bemerkbar.

Nach einem kurzen Flirt mit den Saba Greencones, der aber bald wieder beendet wurde, hatte mich Herr Aschenbrenner auf eine Neuentwicklung namens Solo-Vox aufmerksam gemacht, die gegenüber der RONDO unproblematischer in der Aufstellung und auch im Preis sein wird. Daraus wurde dann ein traumhaft gefertigter Lautsprecher, der mit einem einzigen Chassis, dem bewährten 21er PHY-HP bestückt ist. Die SV arbeitet, wie die RONDO und andere Auditorium-23-Designs, nach dem Dipolprinzip. Reagiert dieses Prinzip in der Aufstellung etwas mimosenhaft, so belohnt es durch enorme Luftigkeit und einen feinen Klang, ganz besonders dann, wenn die Endstufe nur ein paar wenige, aber dafür sehr edle Watt aufbieten kann. Durch eine spezielle Schallführung bei der SV wurden die Aufstellungsprobleme entschärft. Es ist möglich, den Lautsprecher -relativ- wandnah aufzustellen, ohne inakzeptable Einbussen hinnehmen zu müssen. In meinem Musikzimmerchen (Abmessungen 4 x 4 m) stehen die Lautsprecher in einem (Chassis-) Abstand von ca. 2 m zueinander und ca. 90 cm vor der rückwärtigen Zimmerwand.

Die SV ist laut. Die verwendete Endstufe sollte eine separate Lautstärkeregelung haben, sonst steht bei der Vorstufe kein akzeptabler Regelbereich zur Verfügung. Bei meiner Uchida habe ich die Regler mit viel Fingerspitzengefühl auf die kleinstmögliche Einstellung gedreht. Der Regelbereich der Vorstufe erstreckt sich nun komfortabel bis zur 15-Uhr-Stellung.

Was macht dieser Lautsprecher? Nichts anderes als Musik. Ein sehr hoher Anspruch, der aber erfüllt wird. Der Begriff Musik ergibt sich hierbei aus der Summe von

Tonalität:

Der Eindruck eines Höhenmangels weicht bald der Erkenntnis, dass die Höhen exakt in der richtigen Dosierung wiedergegeben werden, eben der Realität entsprechend. Der bei anderen Lautsprechern vorhandene “Zischelvorhang“ ist bei der SV nicht feststellbar. Dadurch wird die Sicht frei auf feinste Details, die man mit “mehr Höhen“ gar nicht bemerkt hätte. Selbst der zarteste Beckenhauch oder Griffbrettgeräusche werden in der richtigen Größe und am richtigen Platz abgebildet. Auch die Textverständlichkeit steht auf höchstem Niveau. Die Wiedergabe ist glatt und bruchlos und absolut natürlich und von einer immensen Farbigkeit. Die Basswiedergabe ist korrekt; in meinem Raum endet der hörbare Frequenzgang aber relativ früh, bei ca. 60 Hz. Mit diesem vermeintlichen Manko kann ich aber ganz gut leben. Bedingt durch das Bauprinzip wartet man auf Basstritte in den Bauch vergebens. Man wird sowas eh bald als vordergründigen Effekt verbuchen. Der Lautsprecher macht dabei viel durch seine Dynamik wett, er ist bereits bei “geringer Lautstärke voll da“ (Roland Kraft). Dadurch tritt der Unterschied zu einer lauten Stelle um so stärker zu Tage, Orchestertutti kommen so ungebremst und mit Wucht beeindruckend rüber.

Rauminformationen:

Die Verhältnisse von Stimmen und Instrumenten zueinander und zur Umgebung werden plastisch abgebildet. Man entdeckt, dass jede Aufnahme ihre eigene besondere Räumlichkeit hat. Und man kann feststellen, ob bei der Aufnahme ein “echter“ Raum vorhanden war oder ob er dazu gemischt wurde. Instrumente und Stimmen können punktgenau geortet werden, eine Monoinformation wabert nicht als diffuse Wolke zwischen den Lautsprechern umher, sondern kommt von einem Fleck exakt aus der Mitte; ein Beleg für die absolute Phasengenauigkeit der beiden Chassis. Dabei ist das Klanggeschehen von den Chassis losgelöst und steht dort, wo es die Aufnahme vorgesehen hat.

Schnelligkeit:

Hierzu nur ein Beispiel. Auf der Platte “La Folia“ (ATR) sind auf der zweiten Seite nach dem Flötensolo zwei scharfe schussähnliche Geräusche zu hören. Die kommen ansatzfrei und unvermittelt, man zuckt zusammen ... An Spielfreude, Feinnervigkeit und Lebendigkeit sucht der Lautsprecher ohnehin seinesgleichen. Da fällt mir ein, was ich in irgend einem Forum gelesen habe, da tat ein Spezialist kund, der 21-er Salabert käme ihm irgendwie müde vor ...

Faszination/Vermittlung von Emotionen:

Die Wiedergabe ist absolut fesselnd. Der Weltschmerz eines Tom Waits ist beinahe spürbar, man könnte grad mitflennen. Auf der wunderbaren CD “Lamento“ breitet Magdalena Kozena ihre Sehnsucht und ihre Seelenqual vor uns aus. Herrlich! Überhaupt Stimmen! Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen.

Es ist mir bisher nicht gelungen, einen längeren Abschnitt einer überaus spannenden Lektüre zu lesen, ohne durch die “Richtigkeit“ der Wiedergabe abgelenkt zu werden. Man lässt das Buch sinken und lauscht gebannt. Zur Hintergrundberieselung ist die SV deshalb weniger geeignet.

All diese Punkte fügen sich zusammen zur Musikwiedergabe im absolut wörtlichen Sinne. Einer Wiedergabe, die entspanntes, unangestrengtes Hören ermöglicht; störendes HiFi fehlt hierbei ganz. Dieses hohe Maß an Musikalität mündet darin, dass in manchen Stücken, die man bisher - schlicht gesagt - nicht so recht verstanden hat, auf einmal Verbindungen und Zusammenhänge deutlich werden, die einen erkennen lassen, was der Komponist gemeint hat.

Es sei noch erwähnt, dass die Signalübermittlung durch die relativ preisgünstigen, hauseigenen LS-Kabel erfolgt, die einen nicht unbeträchtlichen Teil zum Ergebnis beitragen.

Ist die SV ein Klassik-Lautsprecher? Beileibe nicht. Sie kann auch Jazz und Metal (mit Abstrichen im Tiefbassbereich) überzeugend wiedergeben. Aber klassische Musik ist zweifelsohne ihr Metier, die kann sie unvergleichlich gut.

Irgendwo habe ich aufgeschnappt, dass der wahre Musikliebhaber irgendwann entweder beim Horn oder beim Breitbänder landet. Das wird dann wohl so sein.

Lothar Bergmann, Reinheim
Januar 2005

               
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