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Übersetzung aus “L'Audiohile“ Heft 15, April 1980 mit freundlicher Erlaubnis des Autors
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Inhalt
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| | | | | | | | Maßstäbe für die Bewertung von HiFi-Verstärkern Jean Hiraga in “L'Audiophile“ Heft 15, April 1980
Tonale Ausgewogenheit
Ein
weites Feld - um hier zu einem Urteil zu gelangen, muß man die
Wechselwirkungen zwischen Verstärker und Lautsprecher im Auge
behalten. Es handelt sich dabei meistens um Kompensation von Fehlern.
Das Maß an klanglichem Gleichgewicht macht sich von Anfang an
bemerkbar; sollte es daran fehlen, sind viele Ursachen möglich:
- Auswirkung unterschiedlicher Zeitkonstanten in RC-Gliedern - Art der Kopplung (direkt oder indirekt) - Klirrfaktor und Verzerrungsspektrum - Ungleichmäßige Verteilung der dynamischen Fähigkeiten über den Frequenzbereich
Alles
was hier nicht stimmt, kann sich als tonale Unausgewogenheit bemerkbar
machen, als Betonung der Höhen oder des Baßbereichs,
ausgedünnte oder vordergründige Mitten usw.. Man darf
erwarten, daß alle guten Verstärker ausgewogen klingen, aber
nicht, daß sie gleich klingen. Die Unterschiede sind bei
Vorverstärkern noch deutlicher; auch bei einer auf 0,2 dB genauen
RIAA-Entzerrung können Betonungen oder Absenkungen an den Enden
des Frequenzbereichs fast schon den Effekt einer Loudness-Taste
erreichen. Das klangliche Gleichgewicht gehört bei der Beurteilung
einer jeden Hifi-Komponente an die erste Stelle; es darf dabei nicht
mit anderen Begriffen wie “Schwere“ oder
“Härte“ vermengt werden, die eher quantitativ zu
bewertende Fehler kennzeichnen.
Die Sauberkeit der Wiedergabe
Darüber
wird vielleicht ein wenig zu viel geredet, und meist etwas wolkig. Die
verschiedensten Dinge können gemeint sein: allgemeine
Verzerrungsfreiheit, saubere Wiedergabe der extremen Höhen; man
gerät leicht mit Begriffen wie “nuanciert“,
“elegant“ oder auch “genau“ ins Gehege. Im
allgemeinen liegt man richtig, wenn geringe Verzerrungen, eine genaue
Klangdefinition und ein weit nach oben ausgedehnter Frequenzgang
bezeichnet werden sollen.
Klarheit
Auch
dieser Begriff ist weit gefaßt. Er kann auf Transparenz und
Sauberkeit hinweisen oder einen Klangcharakter beschreiben, der sich
durch Mangel an Tiefbaß und leicht betonte Mitten ergibt. Mit
Klarheit meinen wir in erster Linie Verständlichkeit,
“Lesbarkeit“, wozu natürlich Deutlichkeit gehört.
Eine Deutlichkeit, die allerdings zuweilen durch Zurücktreten des
unteren Registers zustande kommt, wodurch die anderen Bereiche besser
wahrgenommen werden können; oder durch eine Betonung der Mitten
aus einer ungleichmäßigen Verteilung der Dynamik heraus.
Klarheit meint also beide Seiten der Medaille, die gute und die
schlechte. Dabei ist das Optimum durchaus möglich: Ein weit
audgedehnter Frequenzbereich und eine gleichmaßig verteilte
(innere) Dynamik, ein “warmer“ Klang (darauf kommen wir
gleich), der trotzdem bis in die höchsten Höhen klar
definiert ist.
Wärme
kennzeichnet
eine Klangqualität, die man oft bei Röhrenverstärkern
findet. Auch hier kann ein Vorzug (ein weites Spektrum und gute
Wiedergabe räumlicher Tiefe) oder ein Fehler gemeint sein
(“Loudness-Effekt“, übertriebene Räumlichkeit,
Überbetonung der Bässe und unteren Mitten). Ein guter
Verstärker wird die Akustik des Aufnahmeraums so wiedergeben, wie
sie aufgezeichnet wurde, flach oder aber von immenser Ausdehnung,
manchmal kann sogar die vertikale Ausdehnung des Klangkörpers
(z.B. einer Orgel) deutlich werden. Ein warmer Klang ist meistens
angenehm, kann nichtsdestotrotz an der Realität vorbeigehen. Ein
Vergleich verschiedener Verstärker mit Hilfe einer Auswahl von
Platten muß zeigen, ob die Wärme von der Aufnahme stammt,
oder - wie immer wieder festzustellen ist - auf eine Verfärbung
des Geräts zurückgeht.
Der weiche Klang
kann
durch leicht zurücktretende Mitten und gleichfalls abfallende
Höhen zustande kommen und wirkt - zusammen mit einem maßvoll
angehobenen Baß - sehr angenehm aufs Ohr. Es kann sich auch um
einen schlichtweg richtigen Klang ohne störende Fehler handeln,
ausgeglichen und unverzerrt. Ist allerdings die Aufnahme anders geartet
(harter, rauher Klang), muß die Weichheit diesem anderen
Charakter Platz machen; bei einem guten Verstärker kein Problem!
Tiefe
Es
gibt echte und falsche Tiefe, die man mit Hilfe von geeigneten
Aufnahmen auseinanderhalten kann. Meistens finden sich die
Klangereignisse entweder zu nah oder zu entfernt, Nähe und Ferne
gleichzeitig wiederzugeben ist schwierig, bei vielen Arten von Musik
(Oper, Konzert, Jazz) aber auch sehr wichtig. Bei Verstärkern und
noch mehr bei Lautsprechern findet man oft eine flächig
zusammengedrängte Wiedergabe, die es dem Hörer unmöglich
macht, der Musik mit Anteilnahme zu folgen. Die echte
“Tiefe“ wird oft mit dem Effekt verwechselt, den eine
leichte Baßanhebung bewirkt.
Die räumliche Abbildung
gelingt,
wie der Eindruck von Tiefe, nicht leicht; vor allem Lautsprecher haben
hier Probleme. Die richtige räumliche Wiedergabe setzt viele
verschiedene Qualitäten voraus: wenig harmonische und
Intermodulationsverzerrungen (je weniger gleichzeitige Signale sich
gegenseitig beeinflussen, desto leichter sind sie wahrnehmbar),
Stabilität der Funktion von Schaltung und Netzteil, des
Phasenverhaltens etc.
Bei einem Verstärker wird es nie
vorkommen, daß die Schallereignisse an und für sich richtig,
aber in der räumlichen Staffelung vertauscht wiedergegeben werden,
so etwas bringen nur einige indirekt strahlende Lautsprecher zuwege.
Ein Verstärker mit guter Raumabbildung hat es am leichtesten,
überhört zu werden, als Komponente aus dem Bewußtsein
des Hörers zu verschwinden, da die Räumlichkeit ja von Platte
zu Platte wechselt. Beiseitelassen sollten wir in diesem Zusammenhang
alle Schaltungen, die Räumlichkeit simulieren, indem sie die
Phasenbeziehungen bzw. die Kanaltrennung manipulieren oder mit
Verzögerung arbeiten; die so erzielten Effekte sind oft sehr
beeindruckend, gleichzeitig aber von der Realität weit entfernt.
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