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Erfahrungen mit dem Lautsprechersystem PHY-HP von Auditorium 23 oder: Ein Plädoyer für die Einfachheit.

Seit ca. 2 Jahren bin ich im Besitz des oben genannten Lautsprechers. Die nachfolgenden Zeilen sollen, grob zusammengefaßt, meine Eindrücke und Erfahrungen, die ich in der vergangenen "Hörzeit" mit diesen etwas unkonventionellen Schallwandlern gesammelt habe, wiedergeben.

Das Lautsprecherchassis PHY-HP / H21LB15, ein Breitbandsystem, ist in einem nach hinten komplett offenen Holzgehäuse positioniert (dipoles Konzept). Das Gehäuse selbst ist sechseckig und basiert auf einer alten Siemenskonstruktion, welche durch die abgeschrägten Seiten rechts und links der eigentlichen Schallwand auffällt. Der Holzkorpus ist hervorragend verarbeitet und wird in der Normalausführung unbehandelt geliefert. Dies läßt den eigenen Gestaltungsideen einen gewissen Spielraum. Was die nachträgliche Oberflächenbehandlung angeht, sollte man sich aber besser mit seinem Fachhändler bzw. dem Vertrieb unterhalten, da sich Furniere, Lacke u.ä. durchaus negativ auf das klangliche Verhalten des Lautsprechers auswirken können. Grund: Das Gehäuse arbeitet mit. Und wie! Das muß es auch, um jenes klangliche Resultat zu erzielen, das sich seine Erbauer vorgestellt haben. Der Holzkorpus stammt, ebenso wie die in Frankreich gefertigten PHY-HP-Lautsprecherchassis, vom deutschen Vertrieb "Auditorium 23" in Frankfurt. Die Chassis werden direkt mit den Ausgängen der Endstufe verbunden, besitzen keine irgendwie geartete Frequenzweiche und erfahren somit keine weitergehende, bauteilbedingte Beeinflussung im Signalweg (außer durch das LS-Kabel natürlich). Nachdem der Anschluß erfolgt war, dauerte es naturgemäß eine Weile, bis die Lautsprecher eingespielt waren. Diese Wartezeit war keinesfalls frustrierend, da der Qualitätszuwachs im Vergleich zu meinen alten Boxen sofort nachvollziehbar war.

Wie läßt sich dieser Lautsprecher klanglich am ehesten beschreiben? Das Gehäuse ist nicht nur offen, es klingt auch so. Durch die spezielle Bauweise der PHY-HP-Breitbänder wird ein nicht unerheblicher Anteil des Schalls auch nach hinten abgestrahlt. Hierdurch entsteht eine besonders offene und weiträumige Klangcharakteristik. In Zusammenhang mit der großen Fläche der Schallwand und dem wirkungsgradstarken Chassis entsteht ein enorm energiegeladenes Klangerlebnis. Es wirkt sehr livehaftig und direkt. Beeindruckt hat mich auch die Schnelligkeit der Wiedergabe. Nie wirkt das Klangbild verschmiert und unsauber, etwas, was sich sonst bei komplexen Musikstücken leicht einstellen kann. Ein Zeichen für die exakte Arbeit, die das Chassis verrichtet und der richtigen Ausführung des Gehäuses. Tonalität und Höhenwiedergabe begeistern mich immer wieder, wobei ich beim Betrachten der beigelegten Frequenzgangkurven nicht genau nachvollziehen kann, wo die Höhen eigentlich herkommen. Egal. Wie sagte schon Birne: Entscheidend ist, was hinten rauskommt!

Sehr zufrieden bin ich auch mit der Abbildung, der "imaginären Bühne". Stimmt die Aufstellung der Lautsprecher im Raum und natürlich die Qualität der Aufnahme, kommen die Größenverhältnisse von Stimmen und anderen Instrumenten sehr glaubhaft ´rüber. Das Auflösungsvermögen ist hervorragend.

Zum Thema Tiefenstaffelung habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Ob das Schlagzeug hörbar 2,5m oder 3,2m hinter dem Saxophon spielt, ist mir ziemlich wurscht. Im Konzert kann man das auch nicht heraushören. Es klingt jedenfalls schön dreidimensional, je nach Aufnahme sogar schon holographisch.

Wichtiger sind mir da schon die zeitlich richtige Abfolge von Tonereignissen, die Klangfarbenvielfalt und dass die Wiedergabe von Musik emotional fesselt. All das findet statt und zwar nicht zu knapp. Die Platten, die ich gut zu kennen glaube, klingen irgendwie neu, anders. Unvermittelt stehen z.B. Frage- und Antwortspiele zwischen Saxophon und Trompete in einer Beziehung, die ich vorher in dieser Form nicht wahrgenommen habe. Vermutlich aufgrund der Schnelligkeit der Chassis werden Pausen oder der Beginn und das Ende eines Tones wahrnehmbarer, deutlicher. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Musik in einzelne Klangereignisse aufgedröselt wird. Im Gegenteil, Pausen können einen Zusammenhang erst deutlich werden lassen und sorgen somit für ein besseres Verständnis des Gehörten.

Ist das alles nicht zu akademisch und bedient nur die Plattform derer, die sowieso schon alles besser wissen, besser hören und sich mit ihren Voodoogeräten nur vom Mainstream absetzen wollen? Kann man es mit den Dingern wenigstens mal richtig krachen lassen? Genau. Let´s have a try. Zu Musik à la Kruder und Dorfmeister z.B. läßt es sich wunderbar mitschwingen, will heissen, der Bass stimmt auch, obwohl man keine Häuser abreissen kann. Das System ist also nicht nur auf Jazz und Klassik fixiert, sondern kann bei allen Musikstilen richtig Spaß machen. Wenn die Aufnahme i.O. ist. Dies ist leider Vorraussetzung, denn dieser Lautsprecher hat eine vermeintliche Schwachstelle: Er spielt, was er "hört". Dies bezieht sich auf die vorgeschalteten Signalquellen genauso wie auf das Futter, das man durch dieselben schickt. So sind z.B. kleinste Justageänderungen am TA-System jederzeit nachvollziehbar (was ja wiederum von Vorteil ist, da es einem bei der Justage hilft).Rockscheiben aus den 70´ern sind oft erschreckend schlecht aufgenommen oder gepreßt. Das bringen einem die Lautsprecher dann auch gnadenlos zu Gehör. Ursache hierfür ist wohl die hohe Empfindlichkeit der Chassis, die z.B. Laut-/ Leiseunterschiede auch bei kleinem Pegel bereits eindeutig vermittelt.

Will man Nachteile suchen, so könnte man anführen, daß das LS-System offenbar auf Veränderungen der Luftfeuchtigkeit etwas empfindlicher als andere Lautsprecher reagiert. Die Lautsprecher klingen bei hoher Luftfeuchtigkeit scheinbar leicht gebremst. Dies hat sicher mit dem Membranmaterial und dem unbehandelten Holz zu tun. Musiker haben ähnliche Probleme mit ihren (Holz-)Instrumenten, insbesondere auf Konzerttourneen.

Etwas besser könnte es noch um die Standfestigkeit der Gehäuse bestellt sein. Da die Bautiefe insgesamt nicht sehr groß ist, zieht das recht hohe Gewicht der bronzenen Chassis mit ihren vorderen Einfassungen den Lautsprecher tendenziell nach vorn. Auf glatten Flächen ist dies kein Problem, auf Teppichböden oder Teppichen schon eher. Vielleicht könnte man die vorderen Füße konstruktiv etwas nach vorn verlagern? Von diesen marginalen Einschränkungen abgesehen erscheint mir das Preis-Leistungsverhältnis noch erwähnenswert. Beim Preis von insgesamt DM 4000,- (Chassis PHY-HP DM 2000,-; Gehäuse DM 2000,-) wird man wohl kaum einen besseren Lautsprecher am Markt bekommen. Der Preis des Gehäuses allerdings scheint bei einigen Zeitgenossen die Kinnlade in M. Schumacher Regionen wachsen zu lassen. Sicher, es ist nicht billig, doch muß man bedenken, daß es sich nicht um Großserienproduktion handelt, und daß es sehr genau gefertigt ist. Selbermacher sollten genau hinsehen und sich prüfen, ob sie dieselbe Fertigungsqualiät erzielen können.

"Ja, aber die Holzqualität", höre ich die Schöngeister maulen. Die Holzsorte, so informierte mich mein Händler Michael Born seinerzeit, sei nach rein klanglichen Gesichtspunkten und erst nach zeitaufwendigen Versuchen ausgesucht worden. Es wäre wohl ein Leichtes gewesen, nur auf optische Wirkung abzuzielen und ein "schöneres" Holz zu wählen. Da der Klang jedoch Vorrang hatte, mußte ein weniger bequemer Weg gegangen werden, der gleichzeitig einen höheren Holzverschnitt und somit höhere Kosten nach sich zog.

Fazit: Das hier Geschriebene zählt lediglich gewonnene Eindrücke und Erfahrungen auf. Ich bin weder Techniker noch Musiker und habe auch keine goldenen Ohren. Muß ich auch nicht. Spass machen muß es. Ich beschäftige mich schon recht lange mit diesem Hobby und habe bereits diverse Komponenten, auch im direkten Vergleich, gehört. Viel Lehrgeld habe ich in der Vergangenheit bezahlt. Erst nachdem ich Michael Born kennengelernt hatte, bekam ich langsam ein Verständnis für eine, sagen wir mal, natürlichere Musikwiedergabe. Ein Lernprozess, in dessen Verlauf ich Michael viel zu verdanken habe. Ohne eine gewisse Hörerfahrung und eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Thema, was aber immer sehr viel Spaß gemacht hat und natürlich noch macht, würde ich heute diesen Lautsprecher nicht besitzen.

Ein Lautsprecher, der konventionelle Wege verläßt, dem man sich ohne Vorurteile nähern und auf den man sich zunächst eine gewisse Zeit einlassen sollte, bevor man sein Urteil abgibt. Danach muß und kann dieser Lautsprecher nicht jedem gefallen. Aber er zeigt Wege auf, sich Musik auf eine andere (Hör-)Weise zu erschließen. Ich mußte jedenfalls meine bisherigen Erfahrungen über das Aussehen, die Konstruktionsweise und den Klang von Lautsprechern in die Ecke stellen. Und da bleiben sie auch bis auf weiteres, denn ich bin meiner Vorstellung davon, wie ein Lautsprecher klingen sollte, schon sehr nahe gekommen! Die Gedanken sind frei (Geschmäcke auch).

Volker J. 16. August 2000


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