| | | | | | An alle Musikfreunde
In
den letzten Jahren gab es Momente, in denen ich meinen Tonträgern
(Platten, CDs und MCs) wenig Beachtung schenkte. Die Anlage eines
Freundes, der viel Geld für seine Systeme ausgegeben hatte, zwang
mir bei unregelmässigen “Hör-Besuchen“ stets nur
Neidgefühle auf. Platten, bei Jürgen gehört und
anschliessend zuhause aufgelegt, führten mir derartig die
musikalische Inkompetenz meiner Anlage vor Augen, dass das Hören
zur Qual und somit weitgehend eingestellt wurde. Und dabei war es keine
billige Anlage, wie man in HIFI-Händler- und Userkreisen so sagt.
Überlegungen, mich an Jürgens Wiedergabemöglichkeiten
heranzutasten lagen jedoch für mich immer im Bereich der
Lottogewinnträume.
Doch dann kam der entscheidende
Augenblick: Jürgen empfahl mir, den EUPHYA-Vollverstärker
auszuprobieren. Gesagt getan. Ich erwartete Wunder und wurde erstmal
enttäuscht. Die Grenzen meiner Lautsprecher wurden mir noch
bewusster und so bestellte ich die Chassis PHY-HP / H21LB15, liess mir
von Keith Aschenbrenner und Christian Steinkuhl die Anleitung für
den Bau der offenen Gehäuse geben, Jürgen stellte mir seine
alten Shindo-Kabel zur Verfügung - ein Traum wurde wahr: Ich kann,
endlich, Musik hören (Kostenpunkt: um 3.000 EUR).
Die
Lautsprechergehäuse habe ich also selbst gebaut: Einfaches
Kistensperrholz (Fichte); eine Platte ca. 100 x 120 cm (BxH) mit einem
passenden Loch für die Chassis und 30 cm Seitenwangen. Holzkosten:
ca. 50 EUR. Sieht gigantisch simpel aus. Und ist es auch. Die
Lautsprecher strahlen viel nach hinten ab und so füllt sich mein
ganzes Zimmer mit dem Klang. Zwar ist das Stereodreieck immer noch die
beste Position aber “hören“ kann ich
“überall“. Wahrscheinlich habe ich durch den Eigenbau
(ich bin kein grosser Bastler vor dem Herrn) das Können der
Chassis nicht voll ausgeschöpft und die nächste Stufe wird
ein fertiges Gehäuse von AUDITORIUM 23 sein.
Der EUPHYA
(ein Transistorvollverstärker) arbeitet wunderbar mit den PHY-HP /
H21LB15 zusammen. Von Hör-Stunde zu Hör-Stunde spielte sich
das Gespann warm und jetzt, nach knapp zwei Monaten, offenbart es all
seine Qualitäten. Dabei verblüfft die äusserliche
Einfachheit der Breitbandlautsprecher und die äusserliche
Bescheidenheit des Verstärkers die meisten meiner Freunde, die
ihre Platten zum Teil nicht wiedererkennen. Das System schafft eine
klangliche Breite, bei der man plötzlich Instrumente hört,
die früher nur als Geräusche wahrzunehmen waren. Bei
perkussiven Instrumenten ist dieses Erlebnis bei mir sehr intensiv.
Aber auch Soloinstrumente, bei denen die Aufnahme- bzw.
Wiedergabequalitäten oft an Grenzen stossen (Saxophon, Akkordeon,
Violinen..) können sich nun entfalten. Die räumliche Tiefe
der Wiedergabe tut das Ihre dazu, so dass ich mich beim Hören
jedesmal innerlich öffne. Anfangs hatte ich das irrationale
Gefühl, die Anlage passe sich der Musik an (Rock, Jazz, Klassik),
gäbe sich alle Mühe, das was drin ist rauszuholen. Dabei geht
sie äusserst “charmant“ und
“zartfühlend“ vor - eben sehr musikalisch. Die Dynamik
der Aufnahmen wird zum Teil völlig auf den Kopf gestellt. Jede
Aufnahme hat ihr dynamisches Eigenleben. Vieles was früher flach
und deswegen langweilig war wird von EUPHYA + PHY-HP / H21LB15
lebendig, d.h. musikalisch interessant dargestellt. Ich spüre
förmlich die Arbeit der Musiker (ich bin selbst einer). Allerdings
offenbart die Konstellation EUPHYA + PHY-HP / H21LB15 erbarmungslos
Qualitätsunterschiede der Tonträger bezüglich Aufnahme
und Pressung (und daran muss man sich erstmal gewöhnen, aber
hallo!).
Einige meiner Freunde sind beim Hören ihrer
Platten auf meiner Anlage etwas enttäuscht z.B. über den
(gewohnten) mangelnden Druck der Bässe, das (gewohnte) fehlende
Zischen der Becken. Ich aber höre alles und zwar mit den bei den
Aufnahmen eingespielten Nuancierungen. Mir wird dabei klar, wie
“modisch“ auch Musikwiedergabe sein kann. Wie
Verstärker- und Lautsprecherbauer offensichtlich darüber
entscheiden, die Dynamikwiedergabe, die Wiedergabe der Bässe oder
Höhen nicht nach klanglichen Aspekten sondern nach Aspekten der
allgemeinen Empfindungsbedürfnisse zu konstruieren. Also nach den
Eindrücken, die dem täglichen Musikhörer durch Radio und
Disko aufgezwungen werden und seine Gewohnheiten formen.
Ich
habe mich inzwischen an die Vielfalt der mir angebotenen klanglichen
Ereignisse “gewöhnt“ und kann sie geniessen ohne das
ständige Gefühl, das kann doch nicht alles sein. Mein Fazit:
Auf meiner alten Anlage hörte ich die Information über
Musikstücke, heute höre ich die Musik. Es ist, wie wenn man
ein Orginalgemälde und einen (guten oder schlechten) Druck davon
betrachtet. Ich werde noch Wochen damit verbringen, meine ganze
Tonträgersammlung neu zu erleben und dabei auf Entdeckungen zu
stossen.
Rainer S., Berlin im März 2002
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